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Geld

Franz Rieder • teaserzeile       (nicht lektorierter Rohentwurf)   (Last Update: 26.05.2019)

Geld arbeitet nicht. Diesen Blödsinn glauben zwar viele, aber es stimmt nicht; legen Sie mal etwas davon auf den Tisch, warten acht Stunden und schauen dann mal, was passiert ist. Nichts. Geld kommt aus dem Nichts, ist eine Schöpfung „ex nihilo“1 und wenn nichts damit gemacht wird, bleibt es Nichts im ökonomischen Sinne.
Wir haben Geld hergeleitet aus zwei Fundamentaleigenschaften des Privatvermögens, seiner Belastbarkeit, was rechtlich mit der Vermögensverfügung unterlegt ist und seiner Verpfändbarkeit. Beide, Belastung und Liquidierung, also Verpfändung in Geldform oder aus einem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt wie etwa einem Kreditvertrag, sind aus keiner ökonomischen Tradition oder Kausalität entstanden, sondern quasi per Federstrich im Gesellschaftsvertrag.

Thomas Hobbes erkennt bereits im Absolutismus Formen des Eigentums und das Recht, dass niemand anderes als der Souverän dieses Recht einschränken darf.
Wir haben einen Blick zurück geworfen auf die Zeit nach dem englischen Bürgerkrieg und die Bill of Rights sowie auf den vorausgegangenen Habeas Corpus Act, der die Grundlage bildete für John Lockes Auffassung des Eigentums als eines Grundrechtes.

Und wir streifen nur kurz in diesem Zusammenhang Jean-Jaques Rousseau, der mit der Bildung von Eigentum den Gedanken verbindet, dass erst durch Eigentum der Mensch den Urzustand verlässt. Obwohl sich der Mensch dadurch einiges Unliebsame einhandelt wie „Konkurrenz und Rivalität“, den „Gegensatz der Interessen“ und das „Verlangen seinen Profit auf Kosten anderer zu machen“2, betrachtet Rousseau dann doch das Eigentum als „das heiligste von allen Bürgerrechten, in gewissen Beziehungen noch wichtiger als die Freiheit selbst […], weil das Eigentum die wahre Begründung der menschlichen Gesellschaft und der wahre Garant der Verpflichtung der Bürger ist.“3

Und derart Widersprüchliches setzt sich fort bei Kant, der zwar Eigentum ohne staatliche Gewalt lediglich als ein Provisorium erkennt, sich aber in seiner Dialektik von innerem und äußerem Dein und Mein verliert. Immerhin könnte man der kantischen Dialektik zugute halten, dass beim Eigentum durchaus die Verwandlung von Mein zu Dein und wieder zurück auf einer neuen Stufe zu erkennen ist. Aber die Entstehung von Geld und Zins erklärt das nicht.

Wenn also mit dem Federstrich unter den Gesellschaftsvertrag eine Vermögensverfügung für jeden grundsätzlich erlaubt ist, hat ein Rechtsakt nicht nur die Existenz des bürgerlichen Rechts und damit der bürgerlichen Gesellschaft unterzeichnet, sondern auch ein neues Grundsatzkapitel der Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Dieses neue Kapitel der Wirtschaftsgeschichte beginnt also mit einem Rechtsakt, der die Vermögensverfügung als, wie sich herausstellte, bedeutendste und am schnellsten sprudelnde Reichtumsquelle der Geschichte der Menschheit aus dem Nichts erschaffen hat.

Geld ist nun zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit universelles Zahlungsmittel und universeller Wertmaßstab, oder wie Marx das nennt, Fetisch für Leistung und Wohlstand in der bürgerlichen Gesellschaft. Damit ist Geld aber noch nicht ansatzweise verstanden. Geld entspringt einer Rechtstransaktion. Aus Eigentum kann im Nutzungstransfer in Form von Realaktiva oder von Finanzaktiva ein enorm verbreitertes Wirtschaftswesen entstehen wie dies vor der Französischen Revolution nicht annähernd möglich war. Breite Bevölkerungsschichten lebten in Abhängigkeit, Hunger und Krankheiten, ohne Aussicht auf Veränderung.

Aktiviert ein Privateigentümer Teile seines Vermögens in Form von Geld, das kann sein ein Kredit, ein Pachtvertrag, Vermietung von Wohn- oder Hauseigentum usw. dann kann er diesen Teil seines Eigentums nicht mehr weiterverpfänden oder veräußern, dieser Teil ist also für den Gläubiger nun der Nutzung entzogen, bzw. sind die Rechte an der Nutzung von Eigentum an einen anderen übergegangen und zwar wiederum in einer Vermögensform oder einem Besitzanspruch.
Was notorisch sowohl im Monetarismus wie im Keynesianismus übersehen wird ist, dass etwa bei Realaktiva lediglich ein Besitzverhältnis mit Nutzungsrechten auf Zeit an den Schuldner, nicht aber Teile des Vermögens in Form von Realaktiva selbst übertragen werden.
Hier kommt es weder zu einer Form des Gütertausches noch des Eigentumswechsels. Der Vertrag verbrieft ein Nutzungs- und kein Eigentumsrecht und nur wer den Vertrag besitzt, kann dieses Recht auch ausüben.
In Form von Finanzaktiva können solche Verbriefungen Geldforderung aus Kreditvereinbarungen sein oder etwa Anteilsrechte resp. Mitgliedschaftsrechte. Sind also keine Sachrechte verbrieft sondern Geldforderungen spricht man auch von sogenannten schuldrechtlichen Wertpapieren, zu denen zum Beispiel die Anleihe, der Scheck, der Sparbrief oder der Wechsel zählen.

Geld in Form von Krediten etwa entsteht also durch eine Blockierung einer Vermögensverfügung aufseiten des Privateigentümers, teilweise oder ganz. Bei Zwangsversteigerungen unter Eheleuten z.B. wird ein unteilbares Vermögen, hier Haus, in teilbaren Besitz, also in Geldform transformiert und die Vermögensverfügung auf den Käufer notariell übertragen. Eine weitere Nutzung des Eigentums verfällt mit der Vertragsunterzeichnung.

Durch die Blockierung von partiellen Vermögensverfügungen, also von Gläubigereigentum, emittiert der Gläubiger also entsprechende Ansprüche auf sein Eigentum und verpflichtet sich, diese Ansprüche in Geld einzulösen und zu überschreiben. Mit dieser Einschränkung der Vermögensverfügung geht der Gläubiger zugleich ein Risiko ein, nämlich, dass der Schuldner den Kredit nicht ganz oder gar nicht bedient und das Schuldnereigentum eventuell auch nicht in Deckung mit dem Kredit steht, also die Rückverwandlung von Schuldnergeld in Vermögen nicht gelingt.

Denn auch wenn der Gläubiger seine Nutzungsrechte zurück bekommt, bleibt doch der defizitäre Teil der Vermögensverfügung einer weiteren Nutzung und damit einer erneuten Verfügung und Liquidierung blockiert. Wer einmal nach einer notariellen Unterzeichnung die Rückabwicklung einer Vermögensverfügung erlebt hat, weiß wie schwer das ist. Selbst wenn gegen den neuen Eigentümer Rechtstitel wegen Betrugs bei einer Staatsanwaltschaft vorliegen und der Betrüger sich z.B. an einem nicht bekannten Wohnsitz aufhält, wird die Angelegenheit schwer. Und der Betrüger kann und wird auch oft, die neie Vermögensverfügung zur Vorlage für neuerliche Betrügereien nutzen, sich Kredite darauf aushändigen lassen usw. Eine digitale Vernetzung von Staatsanwaltschaften und Notariaten wäre sicherlich hilfreich.

Geld in unserer historischen Verkehrsform entsteht, so wir nicht von Bankgeld sprechen, durch die Liquidierung einer Vermögensverfügung. Bei den sachenrechtlichen Wertpapieren werden Sachenrechte verbrieft4. Hierbei geht es um den Besitz und das Recht an Sachen, z.B. an Grundstücken. Ein sachenrechtliches Wertpapier ist also ein Hypothekenbrief oder ein Grundschuldbrief (Hypothek, Grundschuld).

Zu den Schuldrechtlichen Wertpapieren, die Geldforderungen verbriefen, so haben wir gesehen, gehören Anleihen, Schecks, Sparbriefe und Wechsel. Und Wertpiere, die eine Mitgliedschaft, einen Anteil an einem privaten Vermögensgut wie etwa einem Unternehmen verbriefen un die an einert Börse gehandelt wird, gehört die Aktie. Unterschieden werden müssen noch drei Formen von Wertpapieren, die Inhaber,-, die Namenspapiere und die Namenspapiere mit Inhaberklausel. Bei Inhaberpapieren ist, wie der Name schon sgat, das Recht eines beliebigen Inhabers verbrieft, bei Namenspapieren entsprechend das Recht nur auf diesen individuellen Inhaber.
Namenspapiere mit Inhaberklausel wie etwa das Sparbuch, sind eine Sonderform, insofern der jeweilige Inhaber nicht das Recht auf die dokumentierte Leistung hat, anders als der namentlich bekannte Gläubiger. Durch eine Verfügungsermächtigung kann aber dieses Recht an einen oder mehrere namentlich bekannte Inhaber übertragen werden.

Aufgrund dieses schwer zu kontrollierenden Rechtsstatus ist der Handel mit Wertpapieren wenig geeignet mit Namenspapieren mit und ohne Inhaberklausel. Reine Inhaberpapiere eignen sich dagegen gut, sind aber auf dem Parkett des elektronischen Handels weniger geschützt.



Mit Geld durch Dick und Dünn


Zeit und Lust, man glaubt es kaum, spielen in der Ökonomik die Hauptrollen bei der Herleitung von Geld und Zins. Das vertagte Lusterlebnis des Konsums hat es theoretisch also durchaus zu etwas gebracht und lässt die kühnsten Phantasien sprießen, was die Menschen dann einmal machen bzw. erleben werden, wenn dereinst nach all der leidvollen Lusthemmung der Beutel voller Money generös und spendabel in den Tempeln des Vergnügens gelehrt wird.

Um den Zins dann schlussendlich als eine Form der Kompensation von Ersatzhandlungen zu deklarieren, müssen, neoklassisch5 gesprochen, eine ganze Reihe recht restriktiver Annahmen akzeptiert werden. So präferiert der Mensch den sofortigen Konsum, liebt er doch alles in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, und lässt sich den Verzicht auf seinen inneren, psychologischen Behaviorismus reichlich als Zins vergüten.

Aber den Aufschub von Konsum zur theoretischen Grundlage des Zinses zu erheben, erscheint dann doch zu verzaubert am Gedanken der Neutralität des Geldes, die besagt, dass eine Dichotomie zwischen dem realen und monetären Sektor einer Volkswirtschaft besteht; in der neoklassischen Theorie sogar bestehen muss.
Denn wie will man denn sonst eine Theorie des Gleichgewichts zumal als ein mathematischen Modell der formalen Abbildung wirtschaftlichem Geschehens schreiben, wenn man nicht vorher eine sektorale Abgrenzung gezogen hat; es sitzt nun mal immer einer links und einer rechts auf der Wippe. Sind beide auf der Wippe in „Vollbeschäftigung“ ist das gewogene Ungleichgewicht zunächst nicht von größerer mathematischer Relevanz; einer arbeitet halt etwas mehr. Wenn nun noch unter der vollständigen Preis- und Lohnflexibilität die beiden Schaukler sowohl die Kosten für die Schaukel sich anteilig aber gerecht am Arbeitseinsatz teilen und entsprechend diesem entlohnt werden, freut das die Mathematik und alles ist im Gleichgewicht.

Ein Zins entsteht dabei, wie man sieht, nicht. Es sei denn, man weitet dieses Gleichgewichtsmodell in Richtung einer Grenznutzen– bzw. Grenzproduktivitätstheorie aus. Dann käme es zu dem Punkt auf der Wippe, dass das Schwergewicht auf der einen Seite mehr für die Abnutzung zahlen müsste aber auch mehr für seine geleistete Arbeit bekäme und zwar in einem umgekehrt reziproken Verhältnis zum Leichtgewicht.

Da aber beide Faktoren, Arbeit und Kapital bzw. Einnahmen aus Arbeit und Ausgaben für Anlagen in einem relativen Gleichgewicht sich befinden, versteht man natürlich gleich, dass das Schwergewicht sich irgend wann mal die Frage stellt, ob es nicht nützlicher für ihn wäre, mal eine Weile lustvoll shoppen zu gehen, um dann die Arbeit wieder aufzunehmen, zumal das Leichtgewicht ja aufgrund geringerer Konsumpräferenz wegen geringerem Lohn für weniger geleistete Arbeit tatenlos dem Lustwandel des Schwergewichts zuschauen muss, bis der wieder zurück zur Schaukel kommt.

Bei dieser Überlegung steht zugleich auch die Überlegung zur Seite, dass der Dicke, würde er einfach nur weiter wippen, immer dünner würde und sich grenzwertig dem Dünnen annäherte. Gleichzeitig sagt ihm sein Verstand, dass, wenn er längere Pausen für Speis und Trank einlegt, er denn Gewichtsabstand weiter halten und sogar noch ausbauen könnte. Ja mehr noch, er würde auch mehr verdienen, könnte noch mehr essen und trinken usw. Dem Dünnen sind solche Erfolge weder auf kurze noch auf lange Sicht beschert. Er wird den Dicken nicht einholen, weder beim Einkommen noch beim Körpervolumen durch Konsum. Ihm bleibt nur abzuwarten, was sein Wettbewerber macht und hat dann bald auch keine Lust mehr auf der Wippe.

Wenn man also die Neutralität des Geldes unterstellt, dann sammelt bzw. spart der Dicke während des Schaukelns immer mehr Geld aus Arbeit an als der Dünne, legt es zum gleichen Zinssatz auf das Sparbuch und hat also durch den temporären Verzicht auf Konsum am Ende mehr auf dem Sparbuch und unter’m Weihnachtsbaum. Aber immer mehr in der Tasche und auf dem Teller bringen ab dann nichts mehr, wenn der Wettbewerb mit dem Dünnen zur Farce wird.
Dann ist der Break Even zwischen Grenzkosten und -nutzen erreicht, wenn der Dünne immer dünner wird, weil er kaum noch arbeitet, kaum Geld verdient und zu verhungern droht. Der Dicke bekommt dann auch zunehmend weniger Geld, weil er ja fast nur noch sich selbst wippt, d.h. dass der Dünne ja nur noch einen kleinen Nodge, einen winzigen Abstoß von der Erde braucht, um den Dicken von oben nach unten zu bringen und so am Ende der Dicke mangels Konsum schlussendlich dem Dünnen ins Grab folgt. Offen bleibt dann noch die Frage, was passiert weiter mit der Wippe, aber die beantwortet die Grenznutzentheorie nicht, weil die ja Vollbeschäftigung bis zum Ableben voraussetzt.

Wir sehen, Geld auf dem Arbeitsmarkt ist nach diesem Modell unabhängig vom Kapitalmarkt wie vom Konsummarkt, lediglich abgeleitete Überlegungen im Grenznutzen- und Grenzproduktivitätskalkül wie etwa der reale, temporäre Konsumverzicht stiften die Beziehungen zwischen Güter- und Faktormärkten. Genau genommen sind aber diese Beziehungen schon aus den Modellvorgaben der relativen Unabhängigkeit der Faktormärkte schwierig anders als überkonstruiert zu betrachten.

Keynes und die nachfolgende Ökonomik gingen einen anderen Weg. Keynes analysierte die Neutralität des Geldes, den Arbeitsmarkt, der sich in der Neoklassik stets im Zustand der Vollbeschäftigung befindet und die Annahme der vollständigen Voraussicht sowie der vollkommenen Preis- und Lohnflexibilität. Ihm zufolge werden sehr wohl reale Wirkungen über die Geldmärkte auf die Faktorenmärkte ausgeübt und somit lässt sich die Behauptung der Neutralität des Geldes nach Keynes nicht halten.

In der Neoklassik hat Geld die einzige Bestimmung als Zahlungsmittel und seine Gesamtmenge bestimmt lediglich die absolute Höhe der Preise und das nominelle Volkseinkommen. Die Höhe des realen Volkseinkommens und die relativen Preise (Preisverhältnisse) der Güter und Faktoren werden ausschließlich, wie wir sahen, in der Neoklassik durch reale Vorgänge determiniert, die aber nicht abgeleitet aus den jeweiligen Märkten sind.
Dagegen bestimmt Keynes Geld nicht als marktneutrales Zahlungsmittel, sondern sieht einmal dessen Funktion in der Kassenhaltung, was einer Bestimmung als Vermögenswert sehr nahe kommt, und einer spekulativen, sprich zinsabhängigen Geldhaltung.

Änderungen der Geldmenge können dann über den Keynes-Effekt6 reale Wirkungen entfalten, sofern eine unvollkommene Preis- und Lohnanpassung unterstellt wird. Während also die Neoklassik die Beziehungen zwischen den getrennten Märkten, Güter- und Faktormärkte, über eine funktional nicht abgeleitete Nachfrage theoretisch isoliert, sieht Keynes eine reale Beziehung auf in sich verbundenen Märkten über die Funktion des Geldes gewährleistet. Die Frage also, was zählt, entweder das Geld in seiner Bestimmung als Inter-Market-Phänomen oder als ein marktneutrales Zahlungsmittel ist von wesentlichen Bedeutung. Das hat auch einige Auswirkung auf die Bestimmung von Zinsen.



Durabel – Fungibel


Wer von Eigentumsprämien spricht, hat notwendigerweise etwas von Dauer im Blick. Etwas von Dauer, etwas, was ein Sein durch die Zeit trägt, ist sehr nahe an einem metaphysischen Begriff. Der Begriff Eigentum als ein ideeller wäre dies, ihm kommt aber ein metaphysischer Status trotzdem nicht zu.

Eigentum ist ein empirischer Begriff, eher ein Sachverhalt, der in der Zeit besteht, also nur von relativer Dauer ist. Entsprechend ist es auch mit dem Begriff Vermögen. Kein Vermögen ist ewig. Sein Seinsstatus ist auch wie beim Eigentum ein in der Zeit bestehender, also höchst vergänglicher.
Dem wird mit den Ausdrücken Verlust, Abnutzung, Abschreibung etc. Rechnung getragen. Und der Ausdruck: Rechnung tragen ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn alle Vermögensgüter, seien es Sachen oder Finanztitel, unterliegen einem Wertverlust durch zeitliche, durch empirische oder andere Vorgänge, etwa fiskalische oder inflationäre usw.

Aber warum brauchen wir dann den Ausdruck Duration? Um ihn gegen den der Fungibilität abgrenzen zu können. Das ist wichtig, denn Wirtschaft wie deren Wissenschaft, wie wir beide heute in unserer historischen Weise ausüben, beginnt mit dieser Unterscheidung und allen ihren Ableitungen.

In ihrer wissenschaftlichen Form wird Fungibilität7 als die zentrale Eigenschaft von Gütern, Devisen und Wertpapieren bestimmt, die darin besteht, dass sie leicht austauschbar sind. Ein zweite, wesentliche, aber abgeleitete Bestimmung ist, dass diese Gütereigenschaft keinem Gut individuell zukommt, sondern eine dihairetische8 Bestimmung, also der Gattung nach bestimmt ist.
Austauschbarkeit der „Gattung“ nach heißt in unserem Zusammenhang, dass Güter, Devisen und Wertpapiere durch andere Gegenstände gleicher Gattung und Menge ersetzt werden können.

In unserem Zusammenhang interessiert der Ausdruck Fungibilität deshalb so zentral, weil die Austauschbarkeit von Gegenständen gleicher Gattung und Menge eine der Voraussetzungen für den Börsenhandel bildet. Und der Börsenhandel ist für uns zugleich auch ein Fenster zu einer Finanzierungstheorie, die uns den Weg an den Ursprung und an die Funktion des Zinses weist.

In der Finanzierungstheorie umschreibt der Begriff Fungibilität die direkte Umwandlungsfähigkeit einer Form der Geldanlage, der Investition, also die Umwandlung von Geld in die verschiedenen Anlageformen und bewertet diese in ihrer Rekursivität. Dabei ist zu beachten, dass die Umwandlungsfähigkeit einer Geldanlage ihre Marktgängigkeit wie deren Rekusivität, die Rückverwandlung in Geldform beschreibt.

So sind etwa Wertpapiere, die an einer Börse notiert werden, eine sehr fungible Anlage, da der Anleger sie sehr leicht wieder zu Geld machen oder in eine andere Anlageform umwandeln kann. Zum Vergleich sei der Erwerb von Maschinen oder Immobilien betrachtet, die für einen Investor leichter zu erwerben als in Geldform wieder zurück zu verwandeln sind.
Die Frage aber, worin die Unterschiede einer mehr oder weniger fungiblen Geldanlage tatsächlich liegen, ist mit dem Verweis darauf, dass Sachanlagen weniger fungibel als Rechte sind, noch nicht hinreichend beantwortet. Dazu hilft ein Blick auf den related term: Duration.

Bei der Duration geht es um Anleihen als Vermögensform. Anleihen, sind verzinsliche Wertpapiere, ihr Inhaber erzielt also einen Zinsertrag, der in den jeweiligen Anleihebedingungen verbindlich beschrieben ist.
Bei verzinslichen Wertpapieren gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Papieren, wobei die Hauptunterscheidung darin besteht, ob ein Festzins vereinbart wurde oder der Zins variabel gehalten wird (z. B. Floating Rate Notes). Wertpapiere, für die regelmäßig ein fester Zinsertrag gesichert ist, nennt man festverzinsliche Wertpapiere. Uns geht es in erster Linie um festverzinsliche Wertpapiere.

Die Duration ist eine Kennzahl zur Bewertung des Kapitalbindungsrisikos eines festverzinslichen Wertpapiers, einer Anleihe – kurz Risiko. Die Grundidee hinter der Duration ist, dass die Einschätzung der Bonität eines Schuldners mit zunehmender Laufzeit einer festverzinslichen Anleihe immer schwerer und dadurch das Risiko des Anlegers, sein investiertes Kapital nicht wieder zurück zu erhalten, immer größer wird.
Diese Grundidee verbindet gewissermaßen den Keynesianismus mit dem Montetarismus und wurde in den vergangenen Jahren von der sog. Berliner Schule des monetären Keynesianismus durchaus häretisch zur reinen Lehre von Keynesianismus und Monetrarismus theoretisch weiterverfolgt9.

In dieser Sichtweise vorausgesetzt ist Kapital, hier investiertes Kapital. Kapital wird betrachtet als ein „Vorrat“ von Geld, den ein Mensch, ein Kapitalist, in seinen Händen hält. Man erkennt, dass der monetäre Keynesianismus durchaus an die Tür des Privateigentums klopft, aber er kennt anscheinend nicht den richtigen Klopfcode, dass einer öffnet.
Geld also ist bei der Betrachtung der Duration als vorhanden vorausgesetzt und nun geht es nurmehr um Risikobewertung. Duration legt, so betrachtet, zwei fundamentale Irrtümer zusammen zu einer Illusion.

Der eine Irrtum ist, dass das makroökonomische Ziel marktwirtschaftlichen Handelns in Händen von Regierungen und Notenbanken Vollbeschäftigung ist. Der andere, davon abgeleitet, dass es eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Mikroökonomie und Markroökonomie gibt, wie wir auch soeben schon diskutiert haben.
Die Illusion ist, dass durch makroökonomische Politik die Nachfrage beeinflusst werden soll und kann, da diese das Niveau von Produktion und Beschäftigung bestimmt, das erst bei Vollbeschäftigung durch die vorhandenen Ressourcen begrenzt wird10.

Ein Beispiel, welches dies alles verdeutlicht, ist das sog. Sparparadoxon. Wenn ein Einzelner demnach mehr spart, steigt sein Vermögen und sein Zinseinkommen. Machen dies alle, ohne dass gleichzeitig eine ausreichende Investitionsnachfrage besteht, sinkt aufgrund des Sparverhaltens die Güternachfrage und in der Folge die Produktion, Beschäftigung und das Einkommen und damit der zum Sparen verfügbare Anteil am Einkommen, so dass auch schlussendlich die gesamtwirtschaftliche Sparsumme unverändert bleibt.

Sparen mag demnach mikroökonomisch sinnvoll sein, markroökonomisch ist schnell eine Situation gefunden, wo es äußerst unsinnig erscheint. Aber der einzige Unsinn, der hier besteht, ist die Annahme, dass Sparen überhaupt im Kern etwas mit Produktion, Beschäftigung und Einkommen zu tun hat, auch in seiner negativen Form, der sinkenden Investitionsnachfrage.



“In the long run we are all dead”


„In the long run we are all dead“, einer der großen Irrtümer Keynes‘, wendet man den Existenzialismus auf die Ökonomie an. Vermögen in der Ökonomik insgesamt wird missverstanden als eine substanzielle Ewigkeitsform, als Asset Rich. Und um dem Risiko des Vermögensverlustets zu entgehen, um festverzinsliche Wertpapiere gleicher Laufzeit und Rendite aber unterschiedlicher Zinskupons hinsichtlich dieses Risikos vergleichbar zu machen, wird die Duration berechnet.

Wir haben gezeigt, dass es bei der Duration um die Risikoeinschätzung bzw. -bewertung, also um die Bonität des Schuldners geht. Aber ein weiterer Aspekt kommt noch hinzu, nämlich die Vorstellung, dass es relativ leicht festzustellen ist, ob ein Schuldner in der Lage ist, einen bestimmten Betrag im Zeitraum eines Jahres zurückzuzahlen, ist eine solche Bewertung für einen Zeitraum von beispielsweise 10 Jahren sehr viel schwieriger.
Dieser Vorstellung entsprechend steigt also mit zunehmender Laufzeit einer Anleihe das Risiko, sein Geld wieder zurückzuerhalten.

Dieser Vorstellung eines zeitlich zunehmenden Kreditrisikos widersprechen nicht nur zahlreiche empirische Erfahrungen, sondern auch die meisten der neuen Veröffentlichungen der Ökonomik, die geradezu leidenschaftlich die Ausrichtung der privaten Wirtschaft sowie der Geld- und Zinswirtschaft auf langfristige Ziele fordern.
So ist auch die Berechnung des Kapitalbindungsrisikos von der gleichen konträren Vorstellung unterlegt, dass nämlich nicht nur die Laufzeit das Risiko erhöht, sondern, dass auch das Risiko eines Papiers, bei dem sowohl Zinsen als auch Tilgung erst am Ende der Laufzeit gezahlt werden, höher ist als das Risiko bei einem Papier, bei dem die Zinsen über die Laufzeit verteilt gezahlt werden und nur die Tilgung am Ende der Laufzeit erfolgt.

Also selbst im Idealfall, dass zwei Anleihen mit der gleichen Rendite und Laufzeit verglichen werden, spiegeln sich in der unterschiedlichen Duration letztendlich zwei unterschiedliche Bonitäten der Anleiheemittenten, die zum Zeitpunkt der Berechnung bestanden. Das Kapitalbindungsrisiko hängt also wesentlich von der Bonität des Emittenten ab.

Handelt es sich also, was ja den eigentlich wichtigen Fall skizziert, bei dem sich solchen Berechnungen überhaupt anzustrengen lohnt, um zwei Emittenten, deren Zahlungsfähigkeit sehr unterschiedlich zu beurteilen ist, z. B. eine Anleihe eines aktuell wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmens und eine Anleihe der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit, so wird man bei gleicher Rendite aus Risikogesichtspunkten nicht die Anleihe des angeschlagenen Unternehmens vorziehen, nur weil sie die kleinere Duration aufweist.

So hat sich in den letzten Jahren auf den Anleihemärkten ein diametral gegenläufiger Trend herausgestellt. Steigen die Notenbank-Zinsen, fallen die Kurse bestehender Anleihen und sie verlieren folgerichtig an Wert. Im umgekehrten Fall gewinnen Anleihen an Wert, wenn die Zinsen fallen und somit die Kurse der Anleihen steigen. Kursgewinne und Kursverluste sind also relative Größen im Anleihemarkt und weisen auf keines der Kriterien hin, die eine Wertbestimmung bzw. einen Wertvergleich aus Duration begründen.

Bei steigenden Zinsen erhöht sich also der Wert einer neu gezeichneten Anleihe gegenüber einer bestehenden Anleihe mit niedrigerem Zinskupon und wird somit wertvoller wie umgekehrt. Maßgeblich bei der Wertbestimmung von Anleihen sind also die Notenbankzinsen.

Eben so wenig lässt sich aus den Relationen zwischen Notenbankzinsen und Anleihewerten ein Bezug zur Produktion, zur Beschäftigung und zum Investivkapital herauslesen. Dass, was Duration als Kennzahl zur Beurteilung der Zinsempfindlichkeit von Anleihen als Vermögensanlagen gewährt, ist ein Einblick in die rechnerische Umsetzung des Irrtums von der Ewigkeitsprämie von Privatvermögen. Denn demnach bestünde eine Beziehung zwischen der Bindungsdauer seines Kapitals und dem dazu realtiven Marktzins, also dem Zins, der sich auf den Geld- und Kapitalmärkten einer Volkswirtschaft im Durchschnitt einer Periode einstellt.

Ein Anleger, der in einem bestimmten Zeitpunkt, in seiner Planungsperiode also über sein gesamtes investiertes Anleihevermögen, seinem Portfolio verfügen will, kann bei einer in unmittelbarer Folge auf die Portfoliobildung erfolgenden positiven Veränderung des Marktzinses über einen höheren Betrag als bei gleich bleibendem Marktzins in dem Fall verfügen, wenn die durchschnittliche Bindungsdauer seines Portfolios mit seinem Planungszeitraum in Übereinstimmung steht. Wer aber weiß schon, wie sich der Marktzins in einem von mir gewählten Planungszeitraum entwickelt. Nur eins weiß man, wenn ich mich verschätze, kann es teuer werden.

Legt der Anleger Geld in einer Anlage an, deren Restlaufzeit kürzer als seine Planungsperiode ist, gewinnt er bei einem steigenden Marktzins und verliert bei sinkendem aufgrund der nun geringer verzinsten Wiederanlagemöglichkeiten. Wer hierin ein Plädoyer für aktive Portfoliogestaltung bzw- -management sieht, irrt nicht.
Das „Gesetz“ der Ewigkeitsprämie heißt also nicht Duration, sondern Vermögensmanagement. Denn betrachtet man selbst die Entwicklung der Sparvermögen in den letzten fünfzig Jahren, dann kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass Sparen „in the long run“ zum Finanztod führt. Waren vor fünfzig Jahren die Zinsen bei 6%-8%, in bestimmten Anlageformen im Ausland sogar höher, wozu noch die Steuerfreiheit der Anlagen in Deutschland ein Übriges hinzu tat, dann führte das zu glücklichen Rentnern, so ihr Anlagevermögen und ihre Planungsperiode übereinstimmten, hier die Zeit zwischen Kauf und Verkauf der Anlage als Alterssicherungsstrategie; leider sieht man heute kaum noch jemanden von denen. Die Rentnergeneration heute vernichtet Sparvermögen, je länger sie spart.



Anmerkungen:

1 Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. 1911, S. 109

2 Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit. Übersetzt und erläutert von Heinrich Meier. Paderborn 1990, S. 173 und S. 209

3 Jean-Jacques Rousseau: Abhandlung über die Politische Ökonomie. In: Politische Schriften. Band 1. Paderborn 1977, S. 38.

4 wie sie sich aus dem Dritten Buch Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 844 bis 1296 BGB) ergeben.

5 Wichtigste Vertreter der sog. Neoklassik: Jevons, Menger, Walras, wobei es Walras war, der die erste Darstellung eines geschlossenen mathematischen Totalmodells zur formalen Abbildung des ökonomischen Geschehens einer Gesamtwirtschaft entworfen hat.

6 Hier: Zinsänderungen auf dem Wertpapiermarkt und daraus resultierende Änderungen der Investitionsnachfrage

7 lat. fungi „verwalten“, „vollbringen“

8 Dihairesis (Begriffseinteilung, griechisch διαίρεσις) ist eine in der antiken Logik verwendete Form der Klassifikation, die es möglich macht, Begriffe in einem System zu ordnen und Begriffe zu definieren.
Der Streit innerhalb der modernen Logik, in wie weit dihairetische Verfahren sinnvoll und nützlich sind hält bis heute an.

9 Vgl. Hajo Riese. Grundlegungen eines monetären Keynesianismus. Ausgewählte Schriften 1964–1999. Band 1. Das Projekt eines monetären Keynesianismus. Band 2. Angewandte Theorie der Geldwirtschaft. Marburg, 2001.

10 Letzteres ist der Fall, auf den sich die neoklassische Theorie bei ihren gesamtwirtschaftlichen Aussagen bezieht, ohne diese Begrenzung zu verdeutlichen.



Foto: monika m. seibel www.photographie-web.de



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